[This page was posted originally in the Immanuel Kant - Information Online website (Marburg, Germany), and has been reproduced here (and very lightly re-formatted) for the convenience of readers, since the original page is currently unavailable (January 2014). See also König (1992).]
Die Aufdeckung der Fäden aus den Büchern bzw. der Lektüre eines Schriftstellers zu seinen Werken, oder kurz gesagt, die Darlegung der Quellen wird aber, wenn sie ein einigermaßen vollständiges Bild geben soll, stets der Gegenstand einer besonderen Untersuchung sein müssen, da hierfür nicht nur die Bibliothek - die nicht immer noch feststellbar sein wird - sondern in erster Linie die Zitate des Schriftstellers in seinen Schriften verwertet werden müssen, wozu dann noch die vielen Fälle der Kenntnis dieses oder jenes Buches treten, die nicht durch Zitat belegbar ist und aus zahllosen Umständen hergeleitet werden kann.”
Arthur Warda.
Der Königsberger Jurist und Kantforscher Arthur Warda veröffentlichte 1922 das Verzeichnis Immanuel Kants Bücher, das den Bestand der Kantischen Bibliothek, genauer: des Kantischen Büchernachlasses, abbildet. Warda verfolgte mit Immanuel Kants Bücher einen der Fäden, die sich von der Lektüre des Königsberger Philosophen zu dessen Werk ziehen. Kants Lektüre nimmt weitere Fäden auf und verzeichnet darüber hinaus Literatur, die Kant nachweislich rezipierte. Die Rekonstruktion der Bibliothek Kants bringt aufgrund der historischen Besonderheiten einige Schwierigkeiten mit sich. Zum einen ist der Bücherbestand im Nachlaßinventarium von Kants Erbe nicht gesondert angeführt, und zum andern besaß er zeitlebens eine verhältnismäßig kleine Bibliothek. Doch zunächst zu Kants Büchernachlaß.
In seinem Testament verfügte Kant, sein "ganzer
Büchervorrath" solle nach seinem Tod Professor Gensichen in Königsberg
zufallen.
Nach dem Tod Gensichens wurde dessen Bibliothek, die
den Kantischen Büchernachlaß enthielt, versteigert. Im Sommer
1918 konnte Warda nach langjährigem Aktenstudium ein Exemplar des
Auktionskataloges der Bibliothek Gensichens und das Protokoll dieser Auktion
ausfindig machen. Das "Verzeichniß der Bücher des verstorbenen
Professor Johann Friedrich Gensichen, wozu auch die demselben zugefallenen
und größtentheils mit schriftlichen Anmerkungen versehenen Bücher
des Professor Kant gehören, welche den 25. April 1808 [...] veräußert
werden sollen" wurde anläßlich der Versteigerung erstellt. Das
Büchervermächtnis Kants ist in diesem Katalog separat angeführt.
In der Regel kennzeichnete Kant seine Bücher nicht namentlich, deshalb
war das einzige Kriterium für ihre Erfassung die Anordnung in Gensichens
Bibliothek: Gensichen bewahrte die Bücher in einem grünen Schrank
auf. Schon Warda weist darauf hin, daß die getrennte Aufbewahrung
der Bücher Kants in Gensichens Bibliothek eine Versetzung der Exemplare
nicht ausschließt. Einige Exemplare - Teile mehrbändiger Werke
- aus Gensichens eigener Bibliothek seien deshalb zu Kants Büchernachlaß
zu zählen. So ist der V. Teil des Wandsbecker Boten unter Nr. 711
im Verzeichnis der Bücher Gensichens aufgeführt, im grünen
Schrank befanden sich die Teile I-IV. Der VI. Band von Montaignes 'Gedanken
und Meinungen über allerley Gegenstände' (1793-95) findet sich
unter Nr. 828 im Verzeichnis Gensichen, die Bände I-V unter Kants
Büchern.
Im Vergleich zu anderen Gelehrten seiner Zeit besaß Kant eine verhältnismäßig kleine Bibliothek, wie seine Zeitgenossen und Biographen berichten. In der anläßlich der akademischen Trauerfeier gehaltenen Rede von Walds am 23. April 1804 heißt es: "Seine Bibliothek war unbedeutend. Sie bestand bei seinem Tode (viele kleine Broschüren mitgerechnet) nur aus 500 Bänden. Unter den ältern Büchern sind die meisten physischen und mathematischen Inhalts; die meisten neuern gehören in das Gebiet der Philosophie. Wahrscheinlich hat er sie von ihren Verfassern zum Geschenk erhalten. Er pflegte im Scherz zu sagen: 'Die Kunst zu schreiben hat das Gedächtniß zu Grunde gerichtet, und fremde Bücher würden besser als eigene genutzt.'"
Die Biographen berichten, Kant habe in seiner Jugend nicht über genügend finanzielle Mittel verfügt, um Bücher zu erwerben, und während seiner Studienzeit habe er die Büchersammlungen von begüterteren Kommilitonen benutzt. Seine Zeitgenossen schildern, Kant habe unbändig viel gelesen; seine Art Literatur zu verwerten habe eine umfangreiche Bibliothek erübrigt. So erzählt Chr. J. Kraus: "In dem jedesmaligen halbjährigen Meßkatalog strich er sich, so wie er ihn bekam, fast alle Reisebeschreibungen chemische und physische und andere Schriften, die von Seiten der Verfasser etwas Lehrreiches erwarten ließen, an, und so las er nun alles der Reihe nach durch und war gewöhnlich lange vor Ausgebung des neuen Catalogs, mit dem er es ebenso machte, fertig." Seine Tätigkeit als Schloßbibliothekar (1766-73) ermöglichte ihm einen leichten Zugang zu zeitgenössischer Literatur. Die in der Bibliothek vorhandenen Reisebeschreibungen lieferten ihm Material zur Ausarbeitung seiner physischen Geographie. Weitere Bezugsquellen waren der Buchhändler und Verleger Kanter (1766-75) und später (nach 1790) Nicolovius, sein ehemaliger Schüler. Kraus berichtet, Kant habe die neuen Bücher ungebunden aus Kanters Buchladen geholt, in dessen Haus er in den 1760er bis 1770er Jahren wohnte.
Die Grundlage für das Verzeichnis "Immanuel Kants Bücher" bildet das wiederaufgefundene Exemplar des Auktionskataloges der Bibliothek Gensichens. Die bereits geschilderte Problematik ließ Warda einschränkend formulieren, er beabsichtige mit dem Verzeichnis "eine Zusammenstellung der Hauptmasse der Bücher des größten deutschen Philosophen" zu geben. Eine vollständige Wiederherstellung der Kantischen Bibliothek könne er mit "Immanuel Kants Bücher" nicht liefern, zumal auch weitere Exemplare aus Kants Besitz erhalten seien, die nicht in dem Auktionskatalog angeführt sind. Weiterhin seien im Briefwechsel Kants Hinweise auf Schriften enthalten, die in seinem Besitz waren.
Als Systematik für das Verzeichnis wählte Warda
die Einteilung der Schriften in 10 Wissensgebiete: Sprachen und Literatur;
Geschichte und Geographie; Naturbeschreibung und Medizin; Astronomie, Physik
und Chemie; Bau- und Befestigungskunst; Mathematik; Rechtswissenschaft;
Theologie; Philosophie und Pädagogik. Die Zuordnung der Schriften
zu den Themengebieten nahm Warda nach der Wahrscheinlichkeit vor, in welchem
Wissensbereich Kant das jeweilige Werk vermutlich benutzt hatte. Verschiedene
Gliederungen kamen in Betracht; so empfahl Adickes, die Systematik an den
Themen der Vorlesungen Kants zu orientieren. Warda wählte seine, eher
bibliothekarische Systematik, weil sie am ehesten geeignet schien, die
Fragen der Kantforscher zu beantworten. Eine gewisse Skepsis blieb ihm:
"Welche wissenschaftliche Eintheilung man auch wählen mag, so bieten
sich stets viele Schriften dar, bei denen der von ihnen einzunehmende Platz
einer gewissen Willkühr unterworfen bleibt; bei manchen anderen, ist
es wieder oft kaum möglich, ohne ein genaues Studium derselben ihren
Inhalt richtig zu beurtheilen." Über bibliographische Angaben der
Schriften hinaus enthält das Verzeichnis die Nummer im Auktionskatalog
der Bibliothek Gensichens. Weiterhin werden Informationen über den
Verbleib des Kantischen Exemplars gegeben, sofern das Auktionsprotokoll
den Käufer verzeichnete oder Warda die besitzende Bibliothek -bezogen
auf das Erscheinungjahr 1922 - ausfindig machen konnte. Neben Beschreibungen
einiger Exemplare, die erwiesenermaßen aus Kants Besitz stammen,
sind bei einigen Schriften Stellennachweise aus Kants Werken oder seinem
Briefwechsel beigefügt.
In der Vorrede zu "Immanuel Kants Bücher" bringt
Warda weitere Schriften, die nachweislich zu Kants Bibliothek gehörten,
aber nicht im Auktionskatalog unter Kants Büchern erfaßt sind.
Darunter befinden sich ebenso Lehrbücher, die Kant für seine
Vorlesungen nutzte, wie auch Kantische Werke, von denen ein Handexemplar
Kants ermittelt werden konnte.
Somit gibt Warda in der Vorrede und mit der Gestaltung des Verzeichnisses wertvolle Hinweise zur weiteren Erschließung von Kants literarischem Bezugsfeld. Um wiederkehrende Aufzählungen zu vermeiden, werden Quellen - wie der Briefwechsel, seine Werke und die Vorlesungen - hier mit 'literarischem Bezugsfeld' bezeichnet. Im folgenden werden die für "Kants Lektüre" ausgewerteten Quellen einzeln betrachtet. Doch zunächst sollen noch allgemeinere Erläuterungen zu "Kants Lektüre" gegeben werden.
Diese Anregungen Wardas und der inzwischen beträchtliche
Erkenntniszuwachs der Kantforschung regten das Projekt "Kants Lektüre"
an, das für die Dauer von zwei Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
gefördert wurde. Mit der Erfassung der Schriften in einer Literaturdatenbank
sollten flexible Zugriffsmöglichkeiten geschaffen werden. Erinnert
sei hier an Wardas Skepsis bezüglich der Systematik von "Immanuel
Kants Bücher". Um die Fülle der Literatur einzugrenzen, mußte
für "Kants Lektüre" eine zeitliche Grenze gezogen werden: Von
Ausnahmen abgesehen wurden nur Schriften bis 1781 - dem Erscheinunsjahr
der ersten Auflage der Kritik der reinen Vernunft - aufgenommen.
Zusätzlich zu den bibliographischen Angaben der
Schriften führt "Kants Lektüre" auch Bestandsnachweise der jeweiligen
Exemplare in Bibliotheken auf. Dies soll den interessierten Benutzern die
zeitaufwendigen Recherchen ersparen, die mit der bibliographischen Überprüfung
der Titel und dem Nachweis der Exemplare verbunden sind. Die bibliographischen
Angaben der Schriften, die über die Fernleihe der Universitätsbibliotheken
ermittelt werden konnten, wurden anhand des jeweiligen Exemplars überprüft.
Grundlegend für das literarische Bezugsfeld einer
historischen Persönlichkeit ist seine Bibliothek; demzufolge wurde
der Büchernachlaß Kants, anhand des Verzeichnisses "Immanuel
Kants Bücher", erfaßt. Hinzugekommen sind die Schriften aus
der Bibliothek Gensichens, um einen Zugang zu den aus dem Bestand Kants
stammenden Büchern zu ermöglichen. Berücksichtigt wurden
dabei die Schriften bis 1781. Das faksimilierte Verzeichnis der Bibliothek
Gensichens, das im Anhang zu "Immanuel Kants Bücher" veröffentlicht
wurde, ist hier zugrunde gelegt. Die bibliographischen Angaben in diesem
Fasimilie sind häufig unvollständig; sie wurden überprüft
und ergänzt. Es stellte sich heraus, daß die Schrift 'Pädagogische
Unterhandlungen' (1777-79) von Basedow und Campe bei Gensichen verzeichnet
ist, nicht aber in "Immanuel Kants Bücher". Das gilt ebenso für
Engels 'Philosoph für die Welt', (2. Teil 1777) und für von Zimmermanns
'Geographische Geschichte des Menschen' (1778-1783), wie auch für
Crusius' 'Weg zur Gewißheit' (1747), Varens 'Geographia Generalis`
(1681), Horaz' 'Ars poetica', Gassendis 'Viri illustris N.C. Fabricii'
(1651) und Baumeisters 'Institutiones metaphysica' (1736). In Kants Werken
und in seinem Briefwechsel gibt es Belege dafür, daß Kant diese
Schriften rezipierte. Somit kann als erwiesen angesehen werden, daß
diese Schriften zum Kantischen Büchernachlaß gehörten,
aber in der Bibliothek Gensichens verstellt wurden.
Bereits Warda akzentuierte die Bedeutung des Briefwechsel für die Rekonstruktion der Kantischen Bibliothek; es war ihm aber nicht möglich diese Quellen - von Ausnahmen abgesehen - auszuwerten. Zum einen erschien 1922 Band XIII der Akademieausgabe -ÿmit Anmerkungen und Register zum Briefwechselÿ- gleichzeitig mit "Immanuel Kants Bücher". Zum anderen wurde auch in jenem Jahr die erheblich erweiterte zweite Auflage der BändeÿXÿ-ÿXII der Akademieausgabe veröffentlicht, die Kants Briefwechsel enthalten.
In Band X der Akademieausgabe sind (einschließlich
des Jahres 1781) 173 Briefe erfaßt, davon sind ca. 100 Briefe von
Kant selbst geschrieben.
"Kants Lektüre" verzeichnet die im Briefwechsel
bis 1781 genannten Schriften. Zur Auswertung der Briefe wurden die Informationen
aus Band XIII der Akademieausgabe bzw. der Neuauflage der Schöndörfferschen
Brief-Ausgabe durch Rudolf Malter (1986) herangezogen.
Bei der Betrachtung von Kants philosophischem Werk gerät leicht aus dem Blick, daß Kant in seiner Eigenschaft als Hochschullehrer Vorlesungen hielt und diesen, wie im 18. Jahrhundert üblich, Lehrbücher zugrunde legte. In "Kants Lektüre" wurden diese Schriften erfaßt, um einen Zugang zu dem darin dargelegten Wissen zu ermöglichen. Die Informationen darüber stellte Werner Stark in seiner Dissertation 'Nachforschungen zu Briefen und Handschriften Immanuel Kants'(Berlin 1993) zur Verfügung. In dieser Untersuchung präzisierte, korrigierte und ergänzte Stark die bei Arnoldt (Berlin 1909) zu findenden Angaben.
Weiterhin wurde die von Kant bei der Abfassung seiner vorkritischen Schriften bis 1781 benutzte Literatur in "Kants Lektüre" verzeichnet.
Die Erfassung orientiert sich am Erläuterungsapparat
der Bände I und II der Akademie-Ausgabe, der einen reichen Fundus
an Literaturangaben bietet. Dabei waren eine Vielzahl von Recherchen erforderlich,
weil die bibliographischen Angaben häufig unvollständig sind.
In der Regel wurde in "Kants Lektüre" die Ausgabe einer Schrift angeführt,
die Kant vermutlich zur Verfügung stand. Der Erläuterungsapparat
der Akademieausgabe bringt häufig nicht zeitgenössische Ausgaben
der Schriften, dagegen sind in "Kants Lektüre" zeitgenössiche
Ausgaben erfaßt. Anzumerken ist hier außerdem, daß den
Autoren des Erläuertungsapparates der Bände I (1910) und II (1912)
der Akademieausgabe das Verzeichnis mit dem Büchernachlaß Kants
noch nicht zur Verfügung stand.
Zudem werden im Erläuterungsapparat häufig
Orginalausgaben der fremdsprachigen Schriften angeführt. Für
"Kants Lektüre" wurde der Grundsatz formuliert, die deutsche Ausgabe
einer fremdsprachigen Schrift zu ermitteln. Dieses Kriterium erwuchs aus
den seit langem in der Kantforschung geführten Kontroversen über
Kants Englisch- und Französischkenntnisse. Die bisherigen Befunde
lassen den Schluß zu, daß Kant der französischen Ausgabe
eine deutsche Übersetzung vorzog. Die Erfassung der deutschen Übersetzung
setzt neue inhaltliche Akzente, die über zusätzliche bibliographische
Informationen hinausgehen. Als Beispiel dafür sei die Schrift von
Leonhard Euler 'Reflexions sur l'espace et le temps' genannt, die 1748
in der Histoire de l'Académie Royale in Paris erschien. Kant rezipierte
sie erst in der deutschen Übersetzung von 1763, der eine Abhandlung
des Übersetzers über die kontrovers geführte Debatte zum
absoluten Raum und der absoluten Zeit beigegeben ist.
Ergänzend zum Erläuterungsapparat der Akademieausgabe
wurde ausgewählte Sekundärliteratur verwendet. Reichhaltige Informationen
sowie eine gut recherchierte Literaturliste zu Kants vorkritischen Schriften
bringt Waschkies in Die Physik und Physikotheologie des jungen Kant (Amsterdam 1987>.
Außerdem wurde der Kommentar der Neuedition der
'Bemerkungen in den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen
und Erhabenen', herausgegeben von Marie Rischmüller, herangezogen.
Dabei handelt es sich um einen ausführlichen kultur- und geistesgeschichtlichen
Kommentar, der Kants literarisches Bezugsfeld erschließt. Daraus
wurden nur die Schriften übernommen, für die der Nachweis erbracht
werden kann, daß Kant diese Literatur rezipierte.
Eine weitere Quelle für Kants literarisches Bezugsfeld stellen Periodika dar, die im 18.ÿJahrhundert für den Austausch unter Gelehrten bedeutsam waren. Vergegenwärtigt man sich die geringe Mobilität im 18. Jahrhundert, so wird deutlich, daß die Zeitschriften als Forum der Auseinandersetzung dienten, wohingegen heute vielfältige Möglichkeiten, wie zum Beispiel Fachtagungen, dazu bestehen.
Demzufolge gab es ein weit verbreitetes Rezensionswesen:
Neue Schriften wurden in ausführlichen Besprechungen vorgestellt und
in längeren Passagen zitiert.
In vielen Fällen läßt sich aus der heutigen
Perspektive nicht beurteilen, ob Kant nur die Rezension einer Schrift las
oder die Schrift selbst rezipierte.
Bei der Auswertung dieser Quellen wurde unterschieden
zwischen den auswärtigen, aber in Königsberg verfügbaren
Periodika und den eigenen Königsberger Periodika.
Im gedruckten, lateinischen Vorlesungsverzeichnis der
Universität Königsberg für das Wintersemester 1770/71 bietet
der Buchhändler Kanter an, in seinem Buchladen auswärtige Zeitschriften
an bestimmten Tagen einzusehen:
"Ioannes Iacobus Kanter, bibliopola, pro viribus suis,
literis ipsis, literarumque studiosis inseruire cupiens, duobus per septimanam
diebus, die nempe Martis et Iouis literas publicas, quae Gottingae, Lipsiae,
Halae, Erfordi et Regiomonti, de rebus eruditionem concernentibus prodeunt,
et varia acta literaria, quae recentissima sunt, domi suae legenda gratis
exhibere promittit".
Das Verzeichnis "Kants Lektüre" enthält die
auswärtigen Periodika, die in Kants Schriften, seinem Büchernachlaß
oder im Briefwechsel nachgewiesen sind. Zum Bestand des Kantischen Büchernachlasses
gehörte die Zeitschrift Annalen der Philosophie und des philosophischen
Geistes von einer Gesellschaft gelehrter Männer (Halle & Leipzig
1795- 1797). Das von Kaestner und Unzer herausgegebene Hamburgisches Magazin
oder gesammelte Schriften, zum Unterricht und Vergnügen, aus der Naturforschung
und den angenehmen Wissenschaften überhaupt erschien 1747-67 in Hamburg
und Leipzig; einige Einzelbeiträge aus diesem Magazin, die Kant nachweislich
rezipierte, sind in 'Kants Lektüre' erfaßt. Für alle von
Kanter namentlich genannten Orte, außer Erfurt, sind Periodika angeführt.
Weiterhin wurden die in Königsberg in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts erscheinenden Periodika erfaßt.
Als Informationsquelle diente hier Rehbergs Schrift 'Geschichte der Königsberger
Zeitungen und Zeitschriften' (1942). Aufgenommen wurden Zeitungen, die
überwiegend philosophische, literarische oder wissenschaftliche Themen
brachten und auch Rezensionsorgane waren.
Zudem wurden für "Kants Lektüre" die im Kant-Archiv
(Marburg) vorhandenen Jahrgänge (1764-68 und 1770-72) der Königsbergischen
Politischen und Gelehrten Zeitung im Hinblick auf Rezensionen der erfaßten
Titel ausgewertet.
Ein wichtiges, noch unzureichend erforschtes Terrain stellen die Schriften von Kants akademischen Lehrern dar. In "Kants Lektüre" wurden die Schriften von Kants Lehrer Martin Knutzen einbezogen. Zurückgegriffen wurde dabei auf Erdmanns Schrift 'Martin Knutzen und seine Zeit' (1876), die Ausführungen von Waschkies und auf eine von Werner Stark erstellte Datenbank im Kant-Archiv.
In "Kants Lektüre" (1992) sind insgesamt 799 Schriften
verzeichnet, die zu Kants literarischem Bezugsfeld zu zählen sind.
Abgesehen von "Immanuel Kants Bücher" und den Lehrbüchern galt
für alle übrigen Schriften die zeitliche Eingrenzung bis 1781.
Für eine große Zahl der Schriften gibt es Belege in Kants Werken
oder in seinem Briefwechsel; es kann als erwiesen gelten, daß Kant
diese Schriften rezipierte. Auch für eine beträchtliche Anzahl
von Schriften aus Kants Büchernachlaß ist nach Durchsicht der
oben genannten Quellen belegt, daß Kant diese Schriften benutzte.
Einschließlich der von Warda in der Vorrede genannten
Schriften sind 355 Schriften aus Kants Büchernachlaß erfaßt.
Zusätzlich enthalten sind 148 Schriften aus Gensichens Bibliothek.
Verzeichnet sind 136 Schriften, die im Briefwechsel erwähnt
werden, davon sind 69 Schriften nicht in Wardas Verzeichnis angeführt.
6 der Schriften, die im Briefwechsel genannt sind, sind im Auktionskatalog
der Bibliothek Gensichens enthalten, aber nicht in Wardas " Immanuel Kants
Bücher".
Weiterhin sind insgesamt 21 von Kant verwendete Vorlesungshandbücher
in "Kants Lektüre" erfaßt. 12 dieser Lehrbücher sind nicht
in Wardas "Immanuel Kants Bücher" verzeichnet; allerdings sind 5 dieser
Bücher im Verzeichnis Gensichen angeführt.
Außerdem enthält "Kants Lektüre" 72 Schriften,
für die es Belegstellen in Band I der Akademieausgabe gibt, die aber
nicht in Wardas "Immanuel Kants Bücher" aufgeführt sind. 3 dieser
Schriften hingegen sind im Auktionskatalog der Bibliothek Gensichens aufgeführt.
61 Schriften sind erfaßt, die nur belegt sind in Band II der Akademieausgabe,
nicht aber in Band I, im Briefwechsel oder in Wardas "Immanuel Kants Bücher".
Zusätzlich erfaßt wurden in "Kants Lektüre"
67 Schriften aus dem Kommentar zu den "Bemerkungen"; 54 dieser Schriften
werden weder in "Immanuel Kants Bücher", in Band I oder II der Akademieausgabe,
noch im Briefwechsel erwähnt. Zum Beispiel ist Thomas Hobbes' 'Elementa
philosophiae, De cive' (1647) nur bei Rischmüller und im Verzeichnis
Gensichen angeführt.
Anzumerken ist außerdem noch, daß in "Kants
Lektüre" für einige Schriften auch Belegstellen in den Nachschriften
der Anthropologievorlesungen angeführt werden. Die bisher unveröffentlichten
Nachschriften wurden hierfür jedoch nicht systematisch ausgewertet,
deshalb wird diese Quelle nicht weitergehend erörtert.
Mit "Kants Lektüre" soll der Kantforschung ein Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, das Literatur enthält, die Kant rezipierte. Wie schon allein die zeitliche Eingrenzung bei dieser Untersuchung zeigt, wurde nur ein Teil der Literatur verzeichnet. Eine Weiterführung von "Kants Lektüre" ist jederzeit möglich, weil das Verzeichnis in einer Datenbank erstellt wurde. Über die Form der Publikation ist noch nicht endgültig entschieden. Sinnvoll wäre es, neben einer Druckversion, den Datensatz auf Diskette anzubieten. Somit wären künftigen Benutzern vielfältige Zugriffsmöglichkeiten eröffnet. Angaben zum Vorgehen bei der Erstellung des Verzeichnisses werden im Anhang gegeben.
aus: Kant-Studien 83/1992/127.
Als erstes Teilstück der gesammelten Informationen wird hier on-line eine elektronische Version von Warda's Immanuel Kant's Bücher bereitgehalten. Anders jedoch als bei Warda sind die Titel gemäß nach dem Alphabet der Verfasser sortiert.
© 1996/2002 Immanuel Kant - Information Online
Erstes Datum 28.6. 1999
Letzte Änderung: 22. November 2002